Andreas Klümper
Home Teaching Research Publications Short CV

Quantenmechanik von Vielteilchensystemen
Aufbau und Eigenschaften von Atomen, Molekülen und Festkörpern können nur mithilfe der Quantenmechanik verstanden werden. Deren grundlegende Gesetze, z.B. die Schrödingergleichung, sind zwar seit Jahrzehnten bekannt, ebenso wie die auftretenden Wechselwirkungskräfte, aber der mathematische Aufwand einer vollständigen Lösung übersteigt die Fähigkeiten von Menschen und Computern auf absehbare Zukunft. Das Problem ist die riesige Zahl von Teilchen: in 100 g Kupfer sind so viele Elektronen wie im Weltmeer Wassertropfen. Es wäre ebenso hoffnungslos wie uninteressant, den genauen Zustand so vieler Teilchen berechnen zu wollen.

Deshalb beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von Näherungsmethoden zur Berechnung der physikalisch wichtigen Größen. Für die Beschreibung eines Systems vieler Teilchen ist zum Glück das individuelle Verhalten einzelner Teilchen gar nicht wichtig, sondern nur das kollektive Verhalten aller Teilchen. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, physikalische Größen für alle Teilchen zu kennen, vielmehr genügen kollektive Variablen, die man durch Bildung statistischer Mittelwerte erhält. Beispiele sind etwa die mittlere Energie und die mittlere Geschwindigkeit der Elektronen in einem Metall; aus diesen Größen ergeben sich die Wärmekapazität und die elektrische Leitfähigkeit. Zur Berechnung der Mittelwerte kombiniert man die physikalischen Gesetze, die die Bewegung der Elektronen bestimmen, mit den mathematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Da die Elektronen einander aufgrund von Wechselwirkungen beeinflussen. d.h. korreliert sind, ist auch die Berechnung von Mittelwerten nicht ohne Probleme.

Exakte Lösungen
Es gibt eine Alternative zu der gerade geschilderten Strategie, Näherungsmethoden für realistische detaillierte Modelle der physikalischen Wirklichkeit zu benutzen: man kann nämlich nach speziellen Modellen suchen, die nur grob die Strukturen realer Materialien wiedergeben, dafür aber mathematisch exakte Lösungen gestatten. Exakte Lösungen sind aus verschiedenen Gründen wichtig. Einerseits entsprechen exakt-behandelbare Vielteilchensysteme gewissen Idealisierungen, die in der Natur hin und wieder realisiert sind, andererseits bieten exakte Ergebnisse für Modellsysteme die Möglichkeit, die Güte allgemeiner Verfahren insbesondere numerischer Art abzuschätzen. So sind magnetische Schichtsysteme (Isingmodelle) die wohl bestverstandenen Systeme. Die ersten exakten Ergebnisse zur kritischen Temperatur und anderen Eigenschaften des magnetischen Phasenübergangs sind mehr als fünfzig Jahre alt. Dennoch sind viele wichtige Fragen insbesondere zum Verhalten in einem äußeren Magnetfeld ungelöst und werden intensiv untersucht. Außerdem werden neue Varianten von Computer-Simulationen am Isingmodell geeicht.

Das Isingmodell ist nicht das einzige exakt-lösbare Modell. So gibt es viele klassische wie auch quantenmechanische Systeme, die exakt-behandelbar sind.

Charakteristisch für viele stark-korrelierte Systeme sind die plötzlichen Änderungen (Singularitäten) von Meßgrößen beim Phasenübergang. Es ist ein notorisches Problem, diese Singularitäten mit Näherungsverfahren zu bestimmen. Glücklicherweise sind gerade diese Charakteristika von Phasenübergängen relativ robust, d.h. unabhängig von mikroskopischen Details des physikalischen Systems, so daß sich Idealisierungen bis hin zu exakt-lösbaren Modellen anbieten. Sofern die durchgeführten Idealisierungen gewisse grundsätzliche Eigenschaften der mikroskopischen Wechselwirkungen (Symmetrien etc.) respektieren, sind die wichtigen charakteristischen Singularitäten des Systems unbeeinflusst, nur die nicht so relevanten Daten zur präzisen Lage des kritischen Punktes werden modifiziert.

Die Eigenschaft "exakt-lösbar zu sein" ist einem Modell nicht ohne weiteres anzusehen. In vielen Fällen ist dies gleichbedeutend mit der Existenz von zusätzlichen Bestimmungsgleichungen für zum Beispiel den Mittelwert eines magnetischen Moments (Elementarmagnet oder Spin) im schon genannten Isingmodell. Allgemeine modellunabhängige Relationen geben einen Zusammenhang des "Ein-Spin"-Mittelwertes mit "Zwei-Spin"-Mittelwerten an, diese wiederum mit "Drei-Spin"-Mittelwerten und so fort. Gerade für den Fall des Isingmodells (ohne äußeres Magnetfeld) gibt es eine zusätzliche Relation, die diese unendliche Hierarchie von Verknüpfungen schon an der ersten Stufe abbricht und eine behandelbare Gleichung liefert, aus der die Thermodynamik des Isingmodells für praktisch unendlich große Systeme folgt.

Nicht ohne meinen Computer...
Wie in fast allen Gebieten der Physik ist der Computer bei uns aus der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Von der E-Mail-Kommunikation mit unseren wissenschaftlichen Kooperationspartnern in Übersee über die Darstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen mit Texten, Formeln und Grafiken bis zur Entwicklung großer und komplexer Software-Pakete für unsere Rechnungen reicht die Skala der Anwendungen, mit denen sich unsere Diplomanden und Doktoranden vertraut machen.

Aktuelle Forschung
Wir beschäftigen uns mit integrablen Vielteilchen-Modellen und ihren Anwendungen, bevorzugt in der Physik der kondensierten Materie. Dazu zählen, neben Spinketten, dem Kondomodell und der integrablen anharmonischen Todakette, das eindimensionale Hubbardmodell und das eindimensionale supersymmetrische t-J-Modell und ihre Verwandten. Interessante offene Fragen betreffen das Verhalten bei endlichen Temperaturen, die systematische Herleitung effektiver Quantenfeldtheorien für das Niederenergieverhalten sowie die Berechnung von Matrixelementen lokaler Operatoren und von Korrelationsfunktionen.

Insbesondere die Berechnung von Korrelationsfunktionen ist ein Problem von hoher praktischer Relevanz, da alle Messungen lokaler Größen, d.h. alle frequenz- oder wellenzahlabhängigen Messungen in Streu- oder in Transportexperimenten, Messungen von Korrelationsfunktionen sind.

Die üblichen, auf Greenschen Funktionen basierenden Methoden zur näherungsweisen Berechnung von Korrelationsfunktionen bilden die theoretische Grundlage für die Entwicklung systematischer störungstheoretischer Verfahren und semiphänomenologischer Näherungen, sind aber zur exakten Bestimmung von Korrelationsfunktionen ungeeignet. An ihre Stelle treten im Fall integrabler Modelle Verfahren, die deren spezielle Struktur ausnutzen (etwa die explizite Kenntnis der Form der Wellenfunktion) und die im Prinzip auch eine exakte Berechnung von Korrelationsfunktionen gestatten. Die Anwendung und Weiterentwicklung solcher Verfahren sind einige unserer Betätigungsfelder. Sie ermöglichen Einblicke in Bereiche des Phasendiagramms, etwa in der Nähe kritischer Punkte, die man mit Hilfe numerischer oder störungtheoretischer Verfahren nicht oder nur schwer erhalten kann.

Darüberhinaus interessieren wir uns für die allgemeinen Eigenschaften von Vielteilchen-Quantensystemen, etwa die Struktur von Störungsrechnung, die Bedeutung von Integrabilität, oder die Möglichkeiten semiklassicher Quantisierung.

last updated: